Montag, 10. September 2012

Guter Mond, du gehst so stille


Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin;
deines Schöpfers weiser Wille hieß auf jener Bahn dich ziehn.
Leuchte freundlich jedem Müden in das stille Kämmerlein,
und dein Schimmer gieße Frieden ins bedrängte Herz hinein.

Guter Mond, du wandelst leise an dem blauen Himmelszelt,
wo dich Gott zu seinem Preise hat als Leuchte hingestellt.
Blicke traulich zu uns nieder durch die Nacht aufs Erdenrund.
Als ein treuer Menschenhüter tust du Gottes Liebe kund.

Guter Mond, so sanft und milde glänzest du im Sternenmeer,
wallest in dem Lichtgefilde hehr und feierlich einher.
Menschentröster, Gottesbote, der auf Friedenswolken thront,
zu der schönsten Morgenröte führst du uns, o guter Mond!

Der Text von Karl Enslin (1819-1875)  ist eine 1851 entstandene Kontrafaktur eines Volkslieds aus dem 18. Jahrhundert*
übliche Melodie: vermutlich Anton Neyer (Anfang des 19. Jahrhunderts)
Bearbeitung für Bariton und Klavier: Engelbert Humperdinck

Fassung der Comedian Harmonists
Einzelgesang 

*Liebeslied (um 1780, 1805 erste Veröffentlichung)
(gesungen vom Motettenchor Speyer)
Guter Mond, du gehst so stille
in den Abendwolken hin
bist so ruhig, und ich fühle
daß ich ohne Ruhe bin
Traurig folgen meine Blicke
deiner stillen, heitern Bahn
O wie hart ist mein Geschicke
daß ich dir nicht folgen kann

Guter Mond, dir darf ich´s klagen
was mein banges Herze kränkt
und an wen mit bittern Klagen
die betrübte Seele denkt
Guter Mond, du sollst es wissen
weil du so verschwiegen bist
warum meine Tränen fließen
und mein Herz so traurig ist

Dort in jenem kleinen Tale
wo die dunklen Bäume stehn
nah bei jenem Wasserfalle
wirst du eine Hütte sehn
Geh durch Wälder, Bach und Wiesen
Blicke sanft durch´s Fenster hin
so erblickest du Elisen
aller Mädchen Königin

Nicht in Gold und nicht in Seide
wirst du dieses Mädchen sehn
nur im schlichten netten Kleide
pflegt mein Mädchen stets zu gehn
Nicht vom Adel, nicht vom Stande
was man sonst so hoch verehrt
nicht von einem Ordensbande
hat mein Mädchen seinen Wert

Nur ihr reizend gutes Herze
macht sie liebenswert bei mir
gut im Ernste, froh im Scherze
jeder Zug ist gut an ihr
Ausdrucksvoll sind die Gebährden
froh und heiter ist ihr Blick
kurz, von ihr geliebt zu werden
scheinet mir das größte Glück

Mond, du Freund der reinen Triebe
schleich dich in ihr Kämmerlein
sage ihr, daß ich sie liebe
daß sie einzig und allein
mein Vergnügen, meine Freude
meine Lust, mein alles ist
daß ich gerne mit ihr leide
wenn ihr Aug´ in Tränen fließt

Daß ich aber schon gebunden
und nur leider zu geschwind
meine süßen Freiheitsstunden
schon für mich verschwunden sind
und daß ich nicht ohne Sünde
lieben könne in der Welt
Lauf und sag´s dem guten Kinde
ob ihr dieses Lieb gefällt.


Mischfassung (Enslin mit Versen aus dem Volkslied)
Guter Mond, du gehst so stille
Durch die Abendwolken hin.
Deines Schöpfers weiser Wille
Hieß auf jene Bahn dich zieh'n.

Leuchte freundlich jedem Müden
In das stille Kämmerlein
Und dein Schimmer gieße Frieden
Ins bedrängte Herz hinein!

Guter Mond, o gieße Frieden
In das arme Menschenherz.
Wende von dem Schmerz hienieden
Uns're Seele himmelwärts.

Mild und freundlich schaust du nieder
Von des Himmels blauem Zelt,
Und es tönen unsre Lieder
Hell hinauf zum Herrn der Welt.

Guter Mond du wandelst leise
An dem blauen Himmelszelt,
Wo dich Gott zu seinem Preise
Hat als Leuchte hingestellt

Blicke traulich zu uns nieder
Durch die Nacht aufs Erdenrund.
Als ein treuer Menschenhüter
Tust du Gottes Liebe kund.

Guter Mond, du gehst so stille
In den Abendwolken hin,
Bist so ruhig, und ich fühle,
Daß ich ohne Ruhe bin.

Traurig folgen meine Blicke
Deiner stillen, heitern Bahn.
O wie hart ist mein Geschicke,
Daß ich dir nicht folgen kann.

Guter Mond, dir will ich's sagen,
Was mein banges Herze kränkt,
Und an wen mit bittren Klagen
Die betrübte Seele denkt!

Guter Mond, du kannst es wissen,
Weil du so verschwiegen bist,
Warum meine Tränen fließen
Und mein Herz so traurig ist.

Ach, daß auch in uns're Herzen
Himmelsruhe zöge ein,
Daß wir immer frei von Schmerzen,
Stets zufrieden möchten sein!

Sanft umströmet uns dein Schimmer,
Klarer milder Mondenschein
Menschenherz, o daß du immer
Wärst wie dieses Licht so rein!

Vermutlich, weil es die Melodie so eingängig ist und das Lied daher als Leierkastenlied so beliebt war, wohl auch, weil die Anfangszeile für die verschiedensten Fortsetzungen offen ist, gibt es von diesem Lied ungezählte Parodien.
Ein Beispiel:
Guter Mond, du gehst so stille
Über Deutschlands Fluren hin!
Vetter Michel rückt die Spille,
Greift sein Weibchen unter's Kinn;
Nimmt das Amtsblatt, streckt die Glieder
Und spricht gähnend: 's ist schon Zehn!
Morgen kochst du Klöße wieder;
Laß' uns jetzt zu Bette gehn.
 
Guter Mond, du gehst so stille
Über Deutschlands Fluren hin!
Doctor Bos legt ab die Brille,
Denkt des Tages Hochgewinn;
Einer Ode von Horazen
Gab er neuen Commentar;
Froh bringt er, nach den Strapatzen,
Morpheus nun sein Opfer dar.
 
Guter Mond, du gehst so stille
Über Deutschlands Fluren hin!
Vor der alten Hauspostille
Sitzt die fromme Kupplerin;
Von Theater-Liebsgeschichtchen
Kehret heim der Intendant;
Drüben ist das Dreierlichtchen
Beim Studenten abgebrannt.
 
Guter Mond, du gehst so stille
Über Deutschlands Fluren hin!
Des Ministers letzter Wille
Zeugt von höchst loyalem Sinn:
Hundert Schriften sind verboten,
Sagt das neue Abendblatt;
Auch find't künftighin bei Todten
Nur censirtes Reden [s]tatt.
 
 Guter Mond, du gehst so stille
Über Deutschlands Fluren hin!
Seine Durchlaucht liest Pasquille
Auf Höchst Ihre Buhlerin;
Dafür macht er null und nichtig,
Was die Stände woll'n und thun;
Denkt noch der Parade flüchtig,
Und geruhet dann zu ruhn.
 
Guter Mond, du gehst sehr stille
Übers stille Deutschland hin!
Zirpen hört man schon die Grille;
Stumm ist jeder Lebenssinn.
Selbst die Orgeltöne rasten,
Weil ihr Herr nicht drehen will,
Und der deutsche Leierkasten
Steht auf ein'ge Stunden still.
(Adolf Glaßbrenner)

Das Liederlexikon führt eine Reihe weiterer Parodien auf. Ich bin aber überzeugt, dass noch eine Vielzahl weniger bekannter Parodien umgehen, die ich gern hier sammeln möchte.
Eine primitive Version, die mir seit meiner Kindheit bekannt ist, lautet:

Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin.
Sag, hast du nicht eine Pastille in deinem Mondsgesicht drin.

Eine ausführlichere lautet so:


Guter Mond, du gehst in Schlumpen
durch die Abendwolken hin.
Würd dir gerne ein Paar Schuhe pumpen,
wenn ich selber welche hinn.
Aber leider hab ich keine
brauche selber erst noch neue.
Guter Mond so geh in Schlumpen
durch die Abendwolken hin.


Bitte teilt andere euch bekannte Versionen in den Kommentaren mit.

Mehr zu diesem Lied im Liederlexikon und im Wikipediaartikel

Das Lied in der Literatur:
Heinrich Oppermann: Hundert Jahre, Zum ewigen Frieden
"Wenn es zu dunkeln begann und ehe die Lampe angesteckt werden durfte – was nach einer gewissen Hausordnung geschah – pflegte Therese die Harfe aus dem Fremdenzimmer zu holen, um ihr Accorde zu entlocken. Nach unzähligen Versuchen war das geglückt und es ihr sogar gelungen, das einzige weltliche Lied, was die Schwestern singen konnten: »Guter Mond, du gehst so stille«, zu begleiten. Obwol der Stiefvater die Gemächer der Schwestern noch nie betreten hatte, wurden solche musikalische Versuche doch nie angestellt, als wenn sie wußten, daß derselbe ausgeritten oder ausgefahren war. Dieser »Vater«, so mußten sie auf Geheiß der Mutter sagen, war eigentlich das einzige, was das ruhig-harmonische Leben der jungen Mädchen störte, das Wort Vater war ihnen verhaßt, sie hatten nur mit Mühe sich daran gewöhnen müssen."