Dienstag, 24. Mai 2016

"Und sie trugen ihn hinaus" - Überlieferung abseits der Suchmaschinen

"Und sie trugen ihn hinaus. Und als sie kamen in die lange Gasse, die da heißt die kurze, weil sie krumm ist, ..." So oder ähnlich begann der Unsinnstext - weit unbekannter als "Dunkel war's, der Mond schien helle" -, den ich in den Zeiten vor der Einführung des PCs in einem Buch mit weiteren Unsinnstexten - oder waren es humorvolle? - in einem Buch fand, das den Titel "Dunkel war's, der Mond schien helle" getragen haben könnte. 

Wie geht's weiter? Meiner Erinnerung nach so:
"... da begegneten ihnen zwölf weiß gekleidete Jünglinge, die riefen "Sancte! Sancte!" Er aber verstand "Fangt ihn! Fangt ihn!" und lief in die Wüste und wurde ein Meergreis und nährte sich von Kamelhaaren und kleidete sich in wilden Honig.
Und als er zum Sterben kam, da rief er seine drei Söhne - der eine war nie geboren, der zweite schon verstorben, und der dritte war seine Tochter - und sprach:
"Demjenigen von euch, der mich am meisten geliebt hat, vermache ich meinen zerbrochenen Henkeltopf. Die Wiederherstellungskosten muss er selber bezahlen."
Und sie trugen ihn hinaus ..."

Inzwischen habe ich eine Kopie aus dem Buch erhalten, in dem ich diesen Text ursprünglich gefunden habe. Er ist in Fraktur gedruckt und mit der Herkunftsangabe "Mündlich" versehen:

Leichenbegängnis!
Und sie trugen ihn hinaus! 
Und als sie kamen in die krumme Gasse, 
Welche heißt die lange, weil sie kurz ist,
Begegneten ihnen drei weiß gekleidete Jünglinge, 
Die riefen "Sancte, Sancte!" 
Er aber verstand: "Fangt ihn, fangt ihn." 
Da rannte er weg, lief in die Wüste und wurde ein Meergreis.
Er nährte sich von Kamelshaaren und kleidete sich in wilden Honig.
Und Sonntags leistete er sich eine Zwiebel.
Und als es zum Sterben kam, 
Berief er seine drei Söhne:
Von denen war der erste nicht da gewesen,
Der zweite war gestorben
Und der dritte war eine Tochter.
Die versammelte um sich und sprach:
Meine Herren, ich danke ihnen für das Vertrauen,
Daß Sie mich zu ihrem Vater,
meinen Vater zu ihrem Großvater
und meinen Großvater zu ihrem Urgroßvater erwählt haben.
Wer mich am meisten geliebt hat, 
Dem vermache ich meinen zerbrochenen Deckelschoppen. 
Die Wiederherstellungsarbeit aber muß er selber zahlen."
Und ehe er diese Worte gesprochen, verschied er!
Und sie trugen ihn hinaus.

Ich verwende hier die Orthographie und die Satzzeichen der Kopie, so unangemessen sie auch erscheinen mögen und so gewiss sie nicht mündlich überliefert worden sind. Den Spaß, meinen Text mit dem Ausgangstext meiner Überlieferung zu vergleichen (und die dazu passenden mnemotechnischen Überlegungen), überlasse ich vorerst meinen Lesern. 
Nur den einen Hinweis: Und ehe er diese Worte gesprochen, verschied er! 
Das hätte ich mir eigentlich auch merken sollen. Weshalb wohl habe ich es mir nicht gemerkt?

Man merkt, es ist ein Endlostext wie "Ein Hund kam in die Küche ..."*  oder "Ja, ja, ja: Der Dreißigjährige Krieg. Es war ein Tag wie heute, es stürmte und es schneite. Auf einmal geht sie auf die Tür: 'Komm herein, Vetter Antonius und erzähle uns eine Geschichte vom Dreißigjährigen Krieg!'  'Ja, ja, ja: Der Dreißigjährige Krieg. ...'" (Auch dieser Text ist in den Suchmaschinen nicht zu finden. Oder ist jemand anders erfolgreicher als ich?)

* (gesungen von Kinderchor - auf die Melodie von "Mein Hut, der hat drei Ecken"; verfilmt)

Absichtlich habe ich nicht gekennzeichnet, wo ich bei den zitierten Texten nicht sicher bin, ob ich richtig zitiere. Ich bin nämlich daran interessiert, zu erfahren, ob noch jemand eine andere Druckfassung greifbar hat oder wie andere mündliche Überlieferungen der Texte lauten.

Ich bitte um Kommentare oder Mails an meine E-Mailadresse.

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